Zurück

Buchvorstellung: Der Halbbart von Charles Lewinsky

Buch

Ein Dorf in den Bergen und ein Fremder, der drei Brüdern die Welt eröffnet.

Eine Rezension von Michael Rinka

Der Roman spielt in der Talschaft Schwyz im Jahre 1313 und später. Der Ich-Erzähler Eusebius, genannt Sebi, ist 13 Jahre alt und ein aufgeweckter Junge, der weder zur Feldarbeit noch als Soldat taugt. Sein älterer Bruder Poli, der mit der Faust schneller ist als mit dem Kopf, ist ihm keine große Hilfe. Schon eher der Erstgeborene Bruder Geni, der ihm zuweilen ein feinfühliger Kamerad ist. Sein Vater ist früh gestorben, seine Mutter unterstützt die drei, soweit es ihr möglich ist. Denn es waren raue und blutige Zeiten im Mittelalter. Der Marchenstreit tobte schon seit fast 150 Jahren zwischen den Habsburger Herrschern und der kirchlichen Macht im Kloster Einsiedeln.

Bei seinen Streifzügen durch die umliegenden Wälder lernt Sebi einen zugewanderten Sonderling

kennen, der sich genau an der Grenze des Dorfes einen Unterstand mit einfachsten Mitteln baut. Wegen seines Aussehens tauft die Dorfgemeinschaft ihn „Halbbart“ (Bartwuchs hat der zwischen 30 und 40 Jahre alte Mann nur auf einer Gesichtshälfte – die andere ist aus unbekannten Gründen entstellt). Er wird für Sebi ein Freund und Lehrmeister. Nach anfänglichem Schweigen taut er in der Gegenwart des Jungen immer mehr auf.

Lewinsky versteht es so fantastisch Geschichten zu erzählen, dass er aus dem Jungen einen Geschichtenerzähler macht, der das gesamte Dorf mit seinen Erzählungen immer wieder mitreißt.

Bei all seiner Fantasie gerät die Realität zuweilen ins Hintertreffen. Doch einer schön erzählten Geschichte will man meist mehr Glauben schenken als den nackten Fakten. Schon hat uns der Autor in unsere Gegenwart gezogen, die auch von Wahrheit und Lügen („Fake News“) durchsetzt ist.

Ein Roman für alle, die gut erzählte Geschichten mit großer Fabulierkunst lieben und vor Helvetismen keine Angst haben. Man erfährt natürlich auch geschichtlich etwas über Schweizer Urmythen in seinen Urkantonen. Die fast 680 Seiten des Romans sind so immer sehr kurzweilig.

Charles Lewinksy, Jahrgang 1946, ist ein Autor aus Zürich, der sich seit 1980 als freier Schriftsteller betätigt. Mit „Halbbart“ bringt er nun einen großen Geschichtsroman mit vielen vortrefflichen Geschichten heraus.

Der Halbbart von Charles Lewinsky, Roman, 2. Aufl. 2020, 688 S.,ISBN 978-3-257-07136-8, Diogenes, 26 Euro